5. Hinweise zur Rechtsdurchsetzung

5.1 Beweissicherere Kommunikation mit Behörden

Immer wieder kommt es vor, dass eingereichte Unterlagen, Anträge, Widersprüche etc. innerhalb der Behörde verschwinden. Im schlechtesten Fall gehen dadurch sozialrechtliche Ansprüche unwiederbringlich verloren, weil die Behörde den Zugang bestreitet und Fristen in der Zwischenzeit verstrichen sind.

Deshalb sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass der Eingang im Zweifel nachgewiesen werden kann.

5.1.1 Nur Kopien einreichen

Grundsätzlich sollten Anträge, Widerspruchschreiben, Unterlagen etc. bei Behörden nur in Kopie eingereicht werden und die Originale aufgehoben und verwahrt werden. Dies ist allein deshalb schon sinnvoll, um den Überblick über eingereichte Unterlagen zu behalten. Außerdem müssen Unterlagen, da sie in den Behördenregelmäßig verloren gehen, oft ein weiteres Mal eingereicht werden. In vielen Jobcentern werden alle eingereichten Unterlagen in zentralen Scanzentren eigescannt und verarbeitet. Danach werden sie unwiederbringlich vernichtet, egal ob Kopie oder Original.

5.1.2 Der Eingangsstempel

Viele Behörden bieten an, den Eingang von eingereichten Unterlagen durch einen Stempel mit Datum auf dem Original-Dokument bzw. einer mitgebrachten Kopie zu bestätigen. So könne Sie im Zweifel den Eingang mit dem entsprechenden Datum beweisen. In der Regel ist dafür eine persönliche Abgabe in der Eingangszone, der Pforte oder direkt bei der*dem zuständigen Sachbearbeiter*in notwendig.

Allerdings bieten das nicht alle Behörden an. Es ist unbedingt davon abzuraten Unterlagen persönlich ohne Eingangsbestätigung abzugeben oder in den Briefkasten zu werfen. Stattdessen sollten dann andere Formen beweissicheren Zugangs (s.u.) gewählt werden.

5.1.3 Brief, E-Mail oder Fax?

Briefpost:
Ein großer Teil der behördlichen Kommunikation funktioniert auch im digitalen Zeitalter noch über Briefpost. Im Hinblick auf beweissicheren Zugang von Unterlagen ist diese Form der Kommunikation allerdings nicht sinnvoll. Auch wenn Sie Briefe per Einschreiben mit Rückschein versenden, können Sie hinterher zwar nachweisen, dass Sie etwas an die Behörde gesendet haben, aber nicht was. Daher raten wir grundsätzlich von der Kommunikation mit Behörden per Briefpost ab.     

E-Mail und De-Mail:
Nach Entscheidung des BSG gilt die Übersendung per einfacher E-Mail an die von der Behörde öffentlich angezeigten oder benutzten E-Mailadresse als bewiesener Zugang. Im Bestreitensfall muss zum Nachweis ein Ausdruck aus dem Postfach „Gesendete Nachrichten“, aus dem die korrekte E-Mail der Behörde ersichtlich wird, vorgelegt werden (BSG 12.7.2019 - B 14 AS 51/18 R). Einige Behörden senden auch eine automatisierte Eingangsbestätigung per E-Mail, so dass auch dadurch der Zugang nachgewiesen werden kann.

Widersprüche sollten jedoch nicht per E-Mail eingereicht werden (s. 5.2.1).

Ein beweisbarer, rechtssicherer Zugang per De-Mail wäre auch möglich, insofern der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet hat (§ 36a Abs. 1 SGB I) und die*der Sender*in über eine „digitale Unterschrift“ (qualifizierte elektronische Signatur) verfügt.

Fax:
In der Digitalisierungswüste Deutschland läuft Behördenkommunikation auch im 21. Jahrhundert zu großen Teilen noch über Fax ab. Das mutet zwar antiquiert an, im Hinblick auf beweissicheren Eingang von Unterlagen bieten Faxgeräte, die einen „qualifizierten Sendebericht“ bereitstellen, eine sichere Form der Kommunikation mit Behörden, die wir vorbehaltlos empfehlen können.

5.1.4 Der Zeugenbeweis

Wenn Unterlagen persönlich in der Behörde abgegeben oder in den Briefkasten geworfen werden, gibt es auch die Möglichkeit, dies durch eine*n Zeugen*in bestätigen zu lassen. Auch bei der persönlichen Kommunikation, zum Beispiel bei mündlich gestellten Anträgen oder generell bei persönlichen Gesprächen mit Behörden, ist es oft sinnvoll, einen Beistand als Zeugen*in dabeizuhaben (§ 13 Abs. 4 SGB X).

Grundsätzlich raten wir aber, im Hinblick auf die Nachweisbarkeit der Kommunikation mit Behörden, die Schriftform zu bevorzugen.

5.2 Übersicht: Rechtsmittel und Überprüfungsantrag

5.2.1 Der Widerspruch

Wenn Sie mit der Entscheidung einer Behörde nicht einverstanden sind, ist der Widerspruch dagegen innerhalb einer Frist von einem Monat ab Zugang (Bekanntgabe) des Verwaltungsakts (des Bescheids) beim Betroffenen möglich (§ 83 ff SGG).        
Um diese Frist zu wahren, kann es sinnvoll sein, zunächst einen fristwahrenden Widerspruch einzulegen und die Begründung erst später, z.B. nach anwaltlicher Beratung, nachzureichen.           

Dieser kann z.B. so formuliert werden:

Gegen den Bescheid vom [Datum] lege ich hiermit Widerspruch ein.

Die Begründung wird zu einem späteren Zeitpunkt nachgereicht.


Der Widerspruch muss schriftlich erfolgen oder zur Niederschrift bei der entsprechenden Behörde eingelegt werden. Die elektronische Form ist nur zulässig, wenn die Mail mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist (§ 36a SGB I). Eine einfache E-Mail erfüllt diese Vorgaben nicht!

Auf beweissicheren Zugang (s. 5.1) sollte unbedingt geachtet werden.

Oft ist es sinnvoll bereits im Widerspruchsverfahren anwaltliche Vertretung in Anspruch zu nehmen. Die Kosten dafür können im Rahmen der Beratungshilfe übernommen werden (s. 5.3.1).

5.2.2. Die Klage

Wenn dem Widerspruch nicht abgeholfen wird, ist als nächstes Rechtsmittel die Klage vor dem Sozialgericht möglich (§ 87 ff SGG). Auch hier gilt eine Frist von einem Monat ab Zugang des Widerspruchbescheids.

Im Umgang mit (Sozial-)Gerichten raten wir dazu, sich anwaltlich vertreten zu lassen. Eine Klage einzulegen ist grundsätzlich kostenfrei. Zur Absicherung von Anwaltskosten kann Prozesskostenhilfe beantragt werden (s. 5.3.2).

Neben der Klage gegen Widerspruchsbescheide ist auch bei Untätigkeit der Behörde eine Klage vor dem Sozialgericht möglich. Bei Nichtbearbeitung von Anträgen kann nach 6 Monaten, bei Widersprüchen nach 3 Monaten Untätigkeitsklage eingelegt werden (§ 88 SGG).

5.2.3 Einstweiliger Rechtsschutz, „Eilklage“

Kann wegen einer drohenden Notlage, z.B. Mittellosigkeit, Wohnungsverlust, Energiesperre etc., auf eine behördliche Entscheidung über einen Antrag oder Widerspruch oder eine Entscheidung im Klageverfahren nicht mehr länger gewartet werden, so kann beim zuständigen Sozialgericht eine Entscheidung in Form einer „einstweiligen Anordnung“ beantragt werden. Dies ist eine vorläufige Entscheidung des Gerichts, die so lange Bestand hat, bis im „Hauptsacheverfahren“ eine Entscheidung getroffen wurde. Rechtsgrundlage ist § 86b SGG.

Mehr Informationen zum Thema Einstweiliger Rechtsschutz finden Sie auf der Seite von Roland Rosenow unter folgendem LINK.

5.2.4 Der Überprüfungsantrag

Ein Antrag auf Überprüfung ist dann sinnvoll, wenn die Frist für einen Widerspruch (1 Monat) abgelaufen ist und der Verwaltungsakt bereits „bestandskräftig“ ist. Rechtsgrundlage ist § 44 SGB X.

Werden Verwaltungsakte für die Vergangenheit korrigiert können Leistungen grundsätzlich rückwirkend für bis zu 4 Jahre nachgezahlt werden (§ 44 Abs. 4 SGB X).

In SGB II und XII wird die Frist in Bezug auf Nachzahlungen von Leistungen aber auf 1 Jahr begrenzt – d.h. rückwirkend bis zum 1. Januar des Vorjahres. (§ 40 Abs. 1 Nr. 2 SGB II / § 116a S. 1 Nr. 2 SGB XII).

5.3 Kostenübernahme bei anwaltlicher Vertretung

5.3.1 Beratungshilfe

Menschen mit geringem Einkommen können Beratungshilfe beantragen, um sich von Rechtsanwält*innen beraten und, soweit erforderlich, auch vertreten zu lassen (z.B. in Widerspruchs- oder Klageverfahren). Der Antrag auf Beratungshilfe ist beim zuständigen Amtsgericht zu stellen. Der Antrag kann auch noch nach Beginn der Beratungstätigkeit gestellt werden, spätestens jedoch 4 Wochen nach Beginn der Beratungstätigkeit.  
Da es aber passieren kann, dass Beratungshilfe abgelehnt wird, und die Betroffenen dann auf den Anwaltskosten sitzen bleiben, raten wir dazu, erst nach Bewilligung der Beratungshilfe eine*n Anwält*in aufzusuchen. Dabei sind jedoch natürlich trotzdem gesetzliche Fristen zur Einlegung von Rechtsmitteln zu beachten (s. 5.2).

5.3.2 Prozesskostenhilfe

Die Kosten für eine anwaltliche Vertretung vor einem Sozialgericht können bei Menschen mit geringem Einkommen im Rahmen der Prozesskostenhilfe übernommen werden. Diese wird allerdings nur bei „hinreichenden Erfolgsaussichten“ bewilligt. Um dies zu prüfen, sollte im Zweifel bereits im Vorfeld ein*e Rechtsanwält*in konsultiert werden.